Verständnis

Ich soll überall Verständnis haben. Verständnis hier und Verständnis da und Verständnis für die Vergangenheit und für die Zukunft. Sonst noch jemand ohne Verständnis-Fahrschein? Und wer hat eigentlich mal für mich Verständnis? Vor allem in meiner jetzigen Situation? Manchmal habe ich einfach keine Lust mehr Verständnis zu zeigen, irgendwann ist auch bei mir Schluss.

Seit über den zehn Jahre verkaufe ich privat alles was mir in die Finger kommt, wenn es keiner mehr in der Familie haben möchte und ich es damit vor der Mülltonne retten kann und jemand anderes sich darüber freuen kann. Also wird alles verkauft, was auch nur Ansatzweise für verkaufswürdig gehalten wird, auch wenn es teils Jahre zum Verkauf steht, irgendwann findet sich jemand und ich habe in der Hinsicht Gelduld, sehr viel Geduld. Ich schmeiße ungerne Sachen weg. Letztens beim Schrank ausmisten hatte ich wieder so einiges zum Verkaufen gefunden. Also schnell Bilder gemacht, ein bisschen was geschrieben dazu und schon standen die Sachen in der Bucht und in der kleinen Bucht online. Anders als erwartet, ploppten gleich etliche Nachrichten auf und es wurde ein Kaufinteresse nach dem anderen bekundet. Ich mag ja Käufer, die gleich mehrere Sachen kaufen, aber wer mag das nicht. Eine Klein-Buchtlerin bekundet an mehreren Anzeigen ein Interesse, es war an einem Freitagabend. Meist gebe ich bei Mehrfachkäufen einen kleinen Rabatt. Ich schicke ihr den Gesamtpreis und frage, ob die Sachen verschickt werden sollen. Es kommt erstmal keine Antwort, aber das kenne ich und stört mich nicht mehr. Am Sonntagmittag kommt dann doch eine Antwort in mein Postfach geflattert, man wolle es abholen. Ich bin eigentlich gegen Abholung, weil die Buchtler dann meist doch nicht kommen. Ich schlage gleich den Montag mit Uhrzeit vor, passt auch bei ihr sofort die Uhrzeit. Dann war es Montag und schon eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit … das kommt mir doch bekannt vor. Es ploppt die Nachricht auf, man schaffe es nicht und bittet um Verständnis. Beim ersten Mal habe ich meist Verständnis, kann doch immer was dazwischen kommen. Ich schlage Dienstag die gleiche Zeit vor, diesmal, so wurde mir versichert, wird es klappen. Es war Dienstag und die gleiche Uhrzeit und meine Türklingel bimmelte nicht, aber inzwischen habe ich auch nichts anderes erwartet. Es kam auch keine Nachricht. Die kam erst am nächsten Morgen, man war noch in einem anderen Bezirk und hätte es nicht pünktlich geschafft und man bittet um Verständnis. So langsam ist meine Verständnis aufgebraucht, ich hab meine Zeit nicht im Lotto gewonnen, entwender man möchte kaufen oder einfach nein sagen, das gehört dazu. Ich antworte ihr, dass ich es ihr gerne zuschicke, da ich keine Lust mehr habe ständig versetzt zu werden und mit meiner Zeit was Besseres anfangen kann. Sofort kommt ein Antwort mit etlichen Entschuldigungen und wieder bittet man mich um Verständnis … ich komme mir vor wie bei der S-Bahn. Ich bekomme einen neuen Abholtermin vorgeschlagen, Freitag irgendwann nach dem Frühstück … tja blöd gelaufen, da bin ich arbeiten, und ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe zur Arbeit zu gehen. Ich lehne den Termin ab. Es kam keine Antwort. Dann war es Freitag und ich bekam die Nachricht, dass man gleich da sei … meine Augen wurden größer … ich scrollte im Chat nach oben und sah zum Glück die Nachricht, dass ich den Termin abgesagt hatte. Ich antworte ihr, dass ich nicht da sei. Die Antwort kam unverzüglich mit der Frage, ob ich meine Arbeit nicht unterbrechen könne und schnell nach Hause fahren kann und ihr die Sachen geben könnte, man bittet um Verständnis, weil keine Zeit da ist. Ja ich hab auch keinen Zeitscheißenden Esel, der mir gemütlich hinterher trottet und mir regelmäßig mal ein klein bisschen Zeit auskackt. Nein der hat sich wie Apollo 13 auf die Bahngleise gestellt als der Zug kam. Tja dumm gelaufen, keine Zeit da. Warum auch immer war ich erstaunlich ruhig und es glitt immer noch alles an mir wie an einer Teflonpfanne ab. Sonst hätte ich nicht mehr drauf geantwortet, aber ich tat es dann doch, warum auch immer. Ich schrieb, dass ich es versende und es nicht mit abgeholt werden kann. Zu meinem Erstaunen war man einverstanden … wir tauschten die relevanten Daten aus, nach zwei Tagen war das Geld immer noch nicht eingangen, ich hakte nach. Man wolle es doch abholen und bittet um Verständnis, weil die Päckchenpreise so teuer sind … ich mach die nicht. Ich antwortete einfach nur „Nein“ und stellte alle reservierten Anzeigen wieder zum Verkauf. Jetzt war das Fass voll und ich hatte keinen Bock mehr auf die ganze Nummer und iwelches Scheiß-Verständnis. Tage später kam eine Nachricht (inzwischen 1,5 Wochen nach der ersten Anfrage), dass man gesehen hat, dass ich die Anzeigen wieder online gestellt habe, obwohl von ihr doch ein Kaufinteresse besteht. Ich antwortete einfach nur, dass das Pech für sie ist, aber ich mich nicht zum Narren halten lasse. Eine Sekunde später war der Chat von mir gelöscht. Vorgestern kam wieder eine Nachricht, sie hat Ausdauer … die Zeit, die zum Schreiben braucht, hätte sie nutzen können um das Geld zu überweisen oder ihren Allerwertesten zum vereinbarten Zeitpunkt hätte herschwingen können. Diesmal kam, dass man um Verstöndnis bittet, dass die weibliche Erzeugereinheit ihrerseits plötzlich ins Krankenhaus musste und man sich jetzt um die Tasche und vor allem um die Katze kümmern muss. Bei solchen Aussagen bin ich immer skeptisch … vertraue ich einer mir fremden Person solchen Informationen an? Ich würde es nicht tun. Es ist eine 50:50-Chance, dass diese Aussagen der Wahrheit entspricht, wenn dem so sein sollte, dann gute Besserung und Genesung, aber der Zug für die Anzeigen ist trotzdem abgefahren und mein Verständnis tummelt sich grad im negativen Bereich herum. Es ist alle, ich hatte kein Bock mehr und löschte einfach den Chat. Für mich ist die Sache erledigt. Ich hatte genug Verständnis und Zeit geopfert.

Lith-Entwicklung

Ni Bombo fragt mich: „Lith-Entwicklung, was genau ist das, was sind die Besonderheiten und worin liegt der Unterschied zur normalen Entwicklung.“

Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll und muss aufpassen, dass dieser Beitrag kein ellenlanger Monolog wird. Lith-Entwicklung, Bildungsbürger reden auch vom Lith-Printing oder Lith-Verfahren, ist ein fotochemisches Entwicklungsverfahren, das ausschließlich auf Hydrochinon basiert. Zur Erklärung: Entwickler bestehen in der Regel aus einer Kombination von zwei oder mehr Entwicklersubstanzen wie eben Hydrochinon, Pyrogallol, Brenzcatechin, Metol, Phenidon usw.. Durch das Kombinieren wird ein Effekt, die Superadditivität ausgenutzt. Vereinfacht ausgedrückt ergänzen sich die Eigenschaften der Entwicklersubstanzen und beschleunigen den Entwicklungsprozess. Es muss ja alles ganz schnell gehen.

Beim Lith-Verfahren muss die Sache Hydrochinon alleine stemmen. Die Besonderheit liegt in der Eigenschaft von Hydrochinon. Durch eine Redoxreaktion entsteht beinahe lawinenartig dichtes metallisches Silber, auch „infektiöse Entwicklung“ genannt. Lith-Prints zeichnen sich durch kräftige Tiefen, teils körnig ausgeprägt aus. Der Lith-Print lässt sich durch drei Parameter steuern: Das Verhältnis Hydrochinon zu Pottasche, Länge der Belichtung und Entwicklerkonzentration der Arbeitslösung. Alle Parameter hängen natürlich unmittelbar zusammen und eine Änderung zieht entsprechende Konsequenzen nach sich. Pauschal lässt sich sagen: Lith-Prints mit hohem Kontrast und wenig Farbigkeit werden „normal“ belichtet und die Arbeitslösung ist höher konzentriert. Für viel Farbigkeit und Details muss die Belichtung um ein paar Lichtwerte verlängert und die Arbeitslösung stärker verdünnt sein.

Nicht alle Fotofilme und Fotopapier eignen sich zum Lith-Printing. Meist enthalten sie entwicklungsfördernde Zugaben, was jedoch zur superadditiven Entwicklung und nicht zur „Infektiöse Entwicklung“ führt. Man kann davon ausgehen, dass 90% und mehr aller aktuellen Fotopapiere nicht für die Lith-Entwicklung geeignet sind. Die wenigen Fotopapier, die lithfähig sind (meist Warmton-Fotopapiere), werben mit der Lithfähigkeit. Es gibt Tricks, auch mit nicht lithfähigen Fotopapieren arbeiten zu können, aber danach hat Ni Bombo nicht gefragt. Ich persönlich entwickle alle überlagerten Fotopapiere (30 und mehr Jahre alt) im Lith-Verfahren.

Lith? Litho, Lithografie – Im weitesten Sinne geht es um den Steindruck. Um Tonwertabstufungen zu erzielen, bedient man sich des Raster. Je dichter das Raster ist, umso mehr geht der Tonwert in Sättigung. Vergrößert sich der Abstand des Rasters, dominiert der Tonwert des bedruckten Materials. Die Lithografie kennt also nur zwei Tonwerte, im Fall eines Schwarzweissdrucks Schwarz für das Raster und Weiß für das Papier. Die Grautöne dazwischen werden allein durch die Dichte des Rasters und dem Betrachtungsabstand zum fertigen Druck bestimmt.

Es war hier und da von Farbigkeit die Rede. Dabei geht es nicht um den Warmton oder so. Vielmehr wird vor allem in den Lichtern und hellen Mitten metallisches Silber in eine Silberverbindung überführt, die zur Farbigkeit des Abzugs führt. Diese Farbigkeit ist von der Emulsion des Fotopapiers abhängig. Ein Lith-Print kann wie jeder andere Abzug auch getont werden, was natürlich die Farbigkeit ändert. Lithen ist nichts für Ungeduldige. Ein Abzug kostet Zeit (gerne 15 bis 30 Minuten) und Geduld, gerade am Anfang. Die Lith-Entwicklung kann durch das Erwärmen der Arbeitslösung (30 … 40 °C) beschleunigt werden. Die Abzüge werden tendenziell härter. Viel wichtiger ist: Währenddessen gut lüften und wegen ausgasendem Formaldehyd eine Atemschutzmaske mit entsprechenden Aktivkohle-Filter tragen.